Soziales Lernen
Lautstärkeskala
- 08.02.2022 16:49
In vielen Klassen ist die Lautstärke meist irgendwann ein Thema. Denn ohne es bewusst zu merken schaukeln sich die Kinder manchmal innerhalb von Sekunden gegenseitig hoch. Wenn z.B. ein Übungsblatt in Einzelarbeit, sprich alleine bearbeitet werden sollte, ein Kind jedoch bei einer Aufgabe nicht weiterweiß, fragt es seinen Nachbarn oder die Lehrkraft. Meist wird dabei aber nicht geflüstert, sondern in normaler Zimmerlautstärke gesprochen. Dies führt oft dazu, dass sich innerhalb kürzester Zeit, die Hälfte der Klasse „anstecken“ lässt und sich laut unterhält, so dass sich oft Kinder, die leise arbeiten wollen, bei der Lehrkraft beschweren, dass es ihnen zu laut sei.
Nach dem Tipp aus dem SysPäd-Seminar von Herrn Deiner am PI in München entwickelte ich mit meiner Weiterbildungsgruppe des Vft in München die Idee der Lautstärkeskala bereits im Schuljahr 2015/2016 für eine 2. Klasse weiter. Aufgrund der positiven Erfahrungen war sie auch in diesem Schuljahr in meiner 1. Klasse Bestandteil des sozialen Lernens. Nach dem Hinweis einer meiner Trainerinnen, Barbara Innerkofler vom vft in München, den Kindern die Lautstärkenregelung körperlich erlebbar zu machen, führte ich die Lautstärkeskala wie folgt ein. Ich legte mein Handy unter die Dokumentenkamera, so dass der Lautstärkeregler für alle am Whiteboard sichtbar wurde und ließ die Kinder ein Lied im ständigen Wechsel immer wieder mal lauter, ganz laut, mal leiser und ganz leise hören. Die Kinder wussten sofort, dass man mit dem Knopf an der Seite die Lautstärke regeln kann. Wir hatten zuvor schon die Tische zur Seite geschoben und mit den Stühlen eine Gasse gebildet. Nach meinem Hinweis, dass auch wir unsere Lautstärke regeln könnten zeigte ich ihnen ein Seil und zwei Schilder für laut und leise. Ein paar Kinder halfen dabei, die Skala zu legen. Danach überlegten wir uns als Satz „Wir sind eine tolle Klasse“ und während ich mit einem Pfeil in der Hand an dem Seil von leise nach laut und wieder zurück ging, sprachen die Kinder den Satz gemeinsam in der jeweils passenden Lautstärke. Im Anschluss daran gingen die Kinder in Gruppen nacheinander langsam an der Skala entlang und sprachen je gemeinsam immer diesen Satz, mal laut mal leise, je nachdem wo der Pfeil mit dem ersten Kind gerade war. Der Rest der Klasse zeigte die Lautstärke an der „Körperskala“, das heißt, wenn der Satz laut gesprochen wurde, waren die Hände ganz oben und gingen immer weiter runter, je leiser die Gruppe wurde.
Als nächsten Schritt überlegten wir gemeinsam, wann man in der Schule laut sein darf und die Kinder kamen sogleich auf die Pause, beim Sport oder Singen. Ihnen war auch sofort klar, dass es einige andere Phasen gab, in denen Ruhe herrschen sollte. Und so beschriftete ich orangefarbene Blätter mit ihren Ideen und sie legten die gefundenen Beispiele an die entsprechenden Stellen der Skala. Außerdem fanden sie bei leise noch die Abstufungen „Flüstersprache“ und „ganz leise“, die ich auf gelbem Papier notierte. Danach überlegten wir, wofür wir zu bestimmten Zeiten leise sein sollten, was uns dies nütze. Und auch hier hatten die Kinder viele Ideen, die ich auf blauem Papier notierte und die sie je wieder zur Skala legten.
Um die Skala noch ein bisschen zu differenzieren, sollten die Kinder diese in verschiedene Lautstärkebereiche einteilen und für jeden Bereich eine eigene Farbe wählen. Ich hatte ihnen Blätter in vielen verschiedenen Farben mitgebracht, die Kinder einigten sich schnell und legten 6 farbige Blätter je zur Skala. Um diese sichtbar im Klassenzimmer zu haben, hängten wir die Blätter der Lautstärkebereiche, und den Pfeil an die Tafel. So entstand unser Lautstärkeregler. Um diesen zu testen, sagte ich: „Ihr habt das vorhin in den Gruppen schon so toll gemacht. Ich bin sicher, ihr schafft es auch als ganze Klasse, dass ihr gut aufeinander hört und schaut, bei welcher Lautstärke wir gerade sind.“ Und so verschob ich den Pfeil an der Tafel entlang des Lautstärkereglers nach oben oder unten und die Kinder sprachen den Satz: „Ja, wir schaffen das.“ in der entsprechenden Lautstärke.
Als letzten Schritt überlegten wir, was wir machen könnten, wenn es einem zu laut ist. Sie schlugen gleich das Klatschen vor. Das Klatschen habe ich auf Anraten von Eva Maria Zimmerer, die ich über einen Elternabend an meiner Schule zur Gewaltfreien Kommunikation und ihr „echtstarkundfair“-Programm kenne, eingeführt. Was bedeutet, dass ich bei zu großer Unruhe einen Dreiertakt zu klatschen beginne, bei dem dann alle Kinder mitmachen und anschließend wieder leise sind. Im Laufe der Zeit hat sich dieses Klatschen als Selbstregulativ etabliert und die Kinder beginnen selbst zu klatschen, wenn es ihnen zu laut ist. Der nächste Vorschlag war, den anderen ein Leisezeichen zu geben, also z.B. einen Finger auf den Mund zu legen. Oder beispielsweise dem Partner den Rücken zu streichen, damit er wieder ruhig und leise werde. Oder wenn es dann während einer Stillephase zu unruhig wird einfach den Pfeil nach oben schieben, um zu zeigen, dass es einem zu laut ist.
Tatsächlich merken es die anderen dann oft von allein und werden wieder leiser oder ein Kind beginnt zu klatschen, bis es alle merken und wieder leise werden oder manchmal reicht es auch, den Rücken zu streicheln oder ein Leisezeichen zu geben. Dann wird auch der Pfeil wieder auf grün gesetzt und es wird leise weitergearbeitet. Diese Art der Regulierung gefällt allen viel besser, denn die Kinder merken, dass sie für ihr Lernen und dafür, dass dies gut klappt, jeder für sich und alle gemeinsam verantwortlich sind.
Katrin Nowak
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